LG Köln: "Vorsicht, Nepperei! keine Einsicht! Strafanzeige!" stellt eine zulässige eBay-Bewertung dar

Das Amtsgericht Köln hatte meinen Mandanten dazu verurteilt, die folgende negative Bewertung einer eBay-Transaktion entfernen zu lassen: „VORSICHT Nepperei! Lieferte nur 30% der Beilagen! Keine Einsicht! Strafanzeige!“.

Mein Mandant hatte zuvor einen Jahrgang Micky-Maus-Hefte erworben, der vom Verkäufer wie folgt beworben worden war: „Micky Maus 1995 – fast kompl. Sammlung BEILAGEN“.

Der betreffende Jahrgang hatte ursprünglich 24 Beilagen; der Verkäufer lieferte aber nur 7 und erklärte sich in der Folge auch nicht dazu bereit, weitere Beilagen nachzuliefern. Mein Mandant war verärgert und gab die vorstehende Bewertung ab.

Der Verkäufer zog daraufhin vor das Amtsgericht Köln und verklagte meinen Mandanten darauf, diese Bewertung entfernen zu lassen. Das Gericht gab ihm Recht, denn

„die Äußerungen des Beklagten [sind] nicht mehr vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, sondern insgesamt […] grundlos übertrieben und den Verkäufer als herabsetzend zu beurteilen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Verknüpfung einer wahren Tatsache – Lieferung von nur 30% der Beilagen – und einer Meinungsäußerung – Nepperei – sowie der weiteren Tatsache, dass der Beklagte bereits Strafanzeige gegen den Kläger erstattet hat oder jedenfalls unmittelbar erstatten wird. Insbesondere letzter Zusatz ist nur so zu verstehen, dass der Beklagte dem Kläger die vorsätzliche Begehung einer Straftat vorwirft. Nach der Eingangsäußerung – Nepperei – ist für jeden Leser klar, dass hier nur ein Betrugsvorwurf gemeint sein kann. […] Zu dieser drastischen Bemerkungen gab das Verhalten des Klägers jedoch keinerlei Anlass. […] Insgesamt ist der in den Worten Nepperei und Strafanzeige enthaltene Vorwurf des strafbaren Verhaltens des Klägers nach den dem Beklagten bekannten Tatsachen, insbesondere der abweichenden Rechtsauffassung des Klägers zum Angebotstext, grundlos übertrieben und innerhalb der vertraglichen Regeln des Verkaufsportals eBay nicht gestattet, ein Anspruch auf Entfernung besteht. „

Gegen diese Entscheidung des Amtsgerichts wurde dieseits erfolgreich Berufung eingelegt. Das Landgericht Köln sieht den Bewertungskommentar als vom Schutz der Meinungsfreiheit gedeckt.

Die Kammer führt dazu im Berufungsurteil vom 10.07.2012 aus:

Für die rechtliche Beurteilung von Tatsachenbehauptungen ist maßgebend, ob sie wahr oder unwahr sind. Eine Tatsachenbehauptung bezieht sich im Gegensatz zur Meinungsäußerung auf etwas Geschehenes oder einen gegenwärtigen Zustand und ist daher grundsätzlich dem Beweis offen. Werturteile sind im Unterschied hierzu durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt. Sie genießen den Schutz des Grundrechts aus Art. 5 GG, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerung richtig oder falsch oder grundlos, emotional oder rational ist (BVerfGE 33,1). Die Äußerung darf indessen nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreiten. Die angegriffene Äußerung des Beklagten „Vorsicht! Nepperei! Lieferte nur 30% der Beilagen! keine Einsicht! Strafanzeige!“ setzt sich sowohl aus Meinungsäußerungen als auch aus Tatsachenbehauptungen zusammen.
Die Tatsachenbehauptung „lieferte nur 30 % der Beilagen“ ist als Tatsachenbehauptung wahr. Der Kläger hatte die Lieferung der Serie Micky-Maus 1975 mit fast kompletten Beilagen angeboten. Die Hefte dieses Jahrganges hatten ursprünglich 24 Beilagen. Die an den Beklagten gelieferten Hefte enthielten jedoch nur 7 Beilagen. Damit erweist sich die Tatsachenbehauptung als wahr.
Gleiches gilt für die Erklärung „keine Einsicht“. Sie bringt im Kern zutreffend zum Ausdruck, dass sich der Kläger einem Begehren des Beklagten verschlossen hat. Der Kläger hatte sich in seiner E-Mail vom 29.12.2010 an den Beklagten darauf berufen, keine Vollständigkeitserklärung hinsichtlich der Beilagen abgegeben zu haben. Diese Auffassung beanstandete der Beklagte mit E-Mail vom 30.12.2010 und forderte den Kläger auf, die fehlenden Beilagen bis spätestens 20.1.2011 nachzuliefern. Tatsächlich hat der Beklagte auch Strafanzeige gegen den Kläger erstattet. Das Ermittlungsverfahren wurde später von der Staatsanwaltschaft nach § 153 StPO eingestellt.

Soweit die Formulierungen „Nepperei“ und „Strafanzeige“ auch Meinungsäußerungen in Richtung auf ein betrügerisches Vorgehen des Klägers enthalten, ist die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten. Wegen seiner die Meinungsfreiheit des Art. 5 GG einschränkenden Wirkung ist der Begriff der Schmäkritik grundsätzlich eng auszulegen (BVerfG Beschluss vom 5.12.2008 – 1 BvR 1318/07 – zit. n. Juris). Auch eine überzogene oder ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähkritik (BVerfG a.a.O.). Von einer solchen kann vielmehr erst dann gesprochen werden, wenn deren diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass sie als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint (BVerfG, a.a.O.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann entgegen der Auffassung des Amtsgerichts der Inhalt der Bewertung nicht als nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt angesehen werden. Bezogen auf das konkrete Geschäft weist die Äußerung insofern Sachbezug auf, als sie sich ersichtlich mit der Unrichtigkeit der Angaben des Klägers in seinem Angebot befasst. Der Kläger hat mit seinem Angebot und der dort verwandten Formulierung „fast komplette Sammlung“, die den Eindruck einer nahezu gegebenen Vollständigkeit erweckte, unrichtige Angaben zum Umfang der Beilagen gemacht, was im Hinblick auf seinen Kenntnisstand zur wahren Sachlage als Vorspiegelung falscher Tatsachen im Sinne des Betrugstatbestandes des § 263 StGB angesehen werden kann, durch die eine Täuschung des Beklagten bewirkt wurde. Die Äußerungen stellen sich mithin nicht als so evident grundlos dar, dass sie als bloße Herabsetzung des Klägers erscheinen.

Ein darüber hinausgehender vertraglicher Beseitigungsanspruch ist ebenfalls nicht gegeben. Es kann dahinstehen, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fa eBay gegenüber den vorstehend wiedergegebenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen einen weitergehenden Schutz vor unrichtigen Bewertungen gewähren. Jedenfalls ist der Inhalt etwaiger allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht dargetan. Soweit das Amtsgericht seine Entscheidung auf gerichtsbekannte AGBs stützt, sind diese in der angefochtenen Entscheidung nicht wiedergegeben. Der erkennenden Kammer sind die AGBs nicht bekannt.

Der Mandant ist zufrieden und die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von eBay-Bewertungen um eine Facette reicher.

LG Köln v. 10.07.2012 – 11 S 339/11
AG Köln v. 17.06.2011 – 123 C 96/11

4 Antworten

    1. Den Begriff „Betrug“ in einer Bewertung halte ich für bedenklich, denn nicht der Käufer entscheidet darüber, ob es sich tatsächlich um Betrug handelt, sondern ein Gericht.

  1. Na da muss jemand aber viel Zeit und Geld übrig haben oder war das eine ABM für Rechtsanwälte und Gerichte?

  2. […] freie Meinungsäußerung gedeckt sein, denn eine Schmähkritik liegt nach Auffassung wiederum des Landgerichts Köln nur vor, “wenn deren diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass sie als bloße Herabsetzung […]

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