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Pokémon Go und das Recht

Zur Zeit findet man vielerorts Artikel von Anwälten und Rechtsberatern, die erläutern, auf was man rechtlich achten muss, wenn man als Pokémon Go Benutzer auf der sicheren Seite bleiben will. Ich verzichte hier auf Links, denn m.E. ist das alles nichts Neues. Die meisten Fragen lassen sich schon mit gesundem Menschenverstand beantworten:

Dass ich ein fremdes Privatgrundstück nicht betreten darf, um ein seltenes Glurak zu fangen, versteht sich von selbst. Das ist nämlich Hausfriedensbruch, wenn es gegen den Willen des Grundstückseigentümers geschieht. Stellt der natürlich ein Schild vor die Haustür mit dem Hinweis „Hier gibt es ein seltenes Pokémon“, sieht die Sache schon wieder anders aus. Dann könnte man das mindestens als konkludenten Einwilligung sehen, seinen Garten zu stürmen, wenn nicht gar als Aufforderung. Aber Achtung: Das Hausrecht des Eigentümers ist immer zu beachten, wenn man sich keinen Ärger einhandeln will. Auch wenn der Nachbar einen Rauch im Garten aktiviert hat, um Pokémon anzulocken: Das gilt dann nämlich nur für Pokémon und nicht für andere Spieler.

Auch für Fußgänger gilt die Straßenverkehrsordnung. Z.B. § 25 StVO: „Fußgänger müssen die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn dürfen sie nur gehen, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat.“ Das gilt auch, wenn auf dem Mittelstreifen der Fahrbahn ein Bisaflor Faxen macht. Wer dagegen verstößt, muss mit ordnungsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Und wer bei der Jagd nach Pokémon einen Unfall verursacht, sieht sich zahlreichen Möglichkeiten gegenüber, seine Monster künftig als Vorbestrafter jagen zu müssen.

Am Steuer eines Fahrzeugs  hat meine sämtliche Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr zu gelten und nicht dem nächsten Pokéstop bei McDonald´s gegenüber. Wer von der Polizei als Fahrer eines PKWs dabei erwischt wird, wie er einem unruhigen Taubsi eine Himmihbeere verabreicht, muss mindestens mit einem Bußgeld von 60 EUR und einem Punkt in Flensburg rechnen. Aber auch eine Strafbarkeit nach § 315c StGB schwebt in diesem Fall wohl immer als Damoklesschwert über dem ungeduldigen Pokémon-Spieler.

Auch wenn das Spiel die Nutzer in den Bann zieht und man stets den Blick auf das Smartphone richten will, wenn irgendwo ein Pokéstop oder ein Monster lockt: Mit Rücksichtnahme kommt man auch als Pokémon-Fan jederzeit besser durchs Leben und vermeidet Ärger mit der Justiz und dem Nachbarn.

Verständnis

In einer Filesharing-Klage vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main wird meiner Mandantin vorgeworfen, einen Pornofilm unerlaubt über Bit Torrent öffentlich zugänglich gemacht zu haben. Gefordert werden in einer recht dürftig gehaltenen Klageschrift von Rechtsanwalt Yussof Sarwari für seine Partei 815 EUR von meiner Mandantin.

Für den 29.02.2016 war nun die mündliche Verhandlung anberaumt.

Heute erreichte mich dann ein Beschluss über die Aufhebung des Termines:

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Stillstand der Rechtspflege. Natürlich habe ich diesmal dafür Verständnis. Ich vertrete ja die Beklagte. Wir haben Zeit. Und die Klage ist ja ohnehin unbegründet.

Blutige Rache: BaumgartenBrandt klagt verjährte Forderung ein

Mein Mandant wurde vor dem AG Koblenz von der Kanzlei BaumgartenBrandt für die KSM GmbH auf Zahlung der dort üblicherweise geforderten 955,60 EUR verklagt. Die Klageforderung setzte sich zusammen aus Schadensersatz in Höhe von 400 EUR und außergerichtlichen Anwaltskosten von 555,60 EUR. Zahlen sollte mein Mandant all das, weil er angeblich den Film “Bloody Revenge” unerlaubt über Bit Torrent zum Download angeboten habe.

Gegen diesen Vorwurf habe ich für meinen Mandanten eine Menge einzuwenden gehabt. Darauf kam es aber alles nicht an, denn das Amtsgericht Koblenz hat nun ganz simpel festgestellt: “Die mit der Klage geltend gemachten Forderungen sind verjährt.”

Wie kommt das AG Koblenz zu dieser erfreulichen Bewertung?

Die Rechtsverletzung soll 13.11.2009 begangen worden sein.

Die Deutsche Telekom AG teilte laut Klägervortrag am 10.02.2010 die Klardaten meines Mandanten mit, so dass die Klägerin hiervon spätestens ab dem 13.02.2010 Kenntnis erlangt hatte.

“Die Verjährung wurde erstmals gehemmt durch Antrag vom 23.12.2013 auf Erlass eines Mahnbescheides. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Verjährungsfrist noch acht Tage. Nachdem unter dem 10.01.2014 die Kosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens von Klägerseite angefordert worden waren und die Zahlung erst am 16.07.2014 bei Gericht einging, verkürzte sich die verbleibende Verjährungsfrist gem. § 204 Abs. 2 S. 2 BGB um weitere sechs Tage. Zwar trat durch die Anforderung der Anspruchsbegründung unter dem 23.07.2014 erneut eine Verjährungshemmung ein. Zu dem Zeitpunkt, als die Anspruchsbegründung vom 24.02.2015 per Fax am 25.02.2015 bei Gericht einging, war die restliche Verjährungsfrist jedoch bereits abgelaufen, mit der Folge, dass die Klageforderungen verjährt sind.

Denn:

“Hinsichlich des geltend gemachten lizenzanalogen Schadensersatzanspruches kann die Klägerin für sich auch die nicht die 10-jährige Verjährungsfrist des § 852 Satz 2 BGB reklamieren. Nach dieser Vorschrift unterliegen diejenigen Ansprüche einer längeren Verjährung, die auf die Herausgabe des deliktisch Erlangten zielen. Es handelt sich somit um einen quasi deliktischen Bereicherungsanspruch. Die Vorschrift findet wegen § 102 Satz 2 UrhG entsprechende Anwendung. Voraussetzung ist aber, dass der Schädiger tatsächlich etwas erlangt hat. Dies kann die ersparte Lizenzgebühr sein, wenn die Wahrnehmungen des Urheberrechts typischerweise nur gegen eine Lizenzgebühr eingeräumt wird. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Rechtewahrnehmung einer Verwertungsgesellschaft lizensiert werden kann.

Ein solcher Sachverhalt ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Dem Nutzer geht es beim Filesharing nur um den Gebrauch des konkreten Werkes für Eigenzwecke, nicht um die darüber hinausgehende Nutzung oder gar Verbreitung. Darin unterscheidet sich der typische Tauschbörsenteilnehmer von demjenigen, der etwa seine Verkaufsstätte mit Musikwerken beschallt, um damit das Kaufverhalten potentieller Kunden zu fördern. Der Hauptzweck des typischen Nutzers einer Internettauschbörse beim Filesharing liegt darin, das Musikstück bzw. den Film zu erhalten. Es wird allenfalls billigend in Kauf genommen, dass ein weiterer Teilnehmer der Tauschbörse nunmehr in der Lage ist, dasselbe Musikstück bzw. denselben Film seinerseits herunterzuladen. Er erspart sich mithin keine Lizenzgebühren, weil er diese auch bei einer legalen Vorgehensweise gerade nicht gezahlt hätte.

Das Amtsgericht Koblenz schließt sich damit der Rechtsauffassung an, welche auch für urheberrechtliche Schadensersatzansprüche bei Filesharing von einer 3-jährigen Verjährungsfrist ausgeht. Auch das AG Köln sieht dies so.

Es stellt sich nun die spannende Frage, ob BaumgartenBrandt gegen die Entscheidung in Berufung gehen wird. Denn um die Berufungsgrenze von 600 EUR zu knacken, müsste sich die Berufung gegen das ganze Urteil richten. Zumindest für die geltend gemachten Anwaltskosten gilt aber unstreitig die Regelverjährung von drei Jahren – und die ist nach den obigen Darlegungen erkennbar eingetreten. Mit der Berufung müsste die Klägerin sich also auch gegen die Verjährung dieser Forderung wenden. Ich bin gespannt, wie sie das bewerkstelligen will.

(AG Koblenz, Urteil vom 28.10.2015 – 161 C 2169/14)

Filesharing: Erneute Änderung der Rechtsprechung des AG Köln

In einem von den Anwälten Schulenberg und Schenk angestrengten Klageverfahren wegen angeblichen Filesharings hatte das Gericht den Beklagten geladen um ihn zum Vorwurf der Urheberrechtsverletzung anzuhören. In der vorangegangenen Verhandlung hatte das Gericht darauf hingewiesen, dass zwar die geltend gemachten Kosten der Abmahnung verjährt wären, aber nicht der eingeklagte Lizenzschaden: dieser unterläge einer zehnjährigen Verjährungsfrist.

Heute nun teilte der Richter zur Überraschung aller Anwesenden mit, dass das Amtsgericht Köln seine Rechtsauffassung geändert habe und nun von einer einheitlichen Verjährungsfrist von drei Jahren ausgehe. Dies gelte für alle mit Filesharingverfahren befassten Abteilungen.

Auf die Anhörung des verklagten Anschlussinhabers kam es somit nicht mehr an, da somit der eingeklagte Anspruch vollumfänglich verjährt war.

Das Gericht setzt damit seine für Abgemahnte erfreuliche Rechtsprechung fort. Auf die schriftliche Urteilsbegründung bin ich gespannt.

Schönheitsreparaturen: Unwirksame Quotenabgeltungsklausel

Eine formularmäßige Klausel in einem Wohnraummietvertrag, die den Mieter verpflichtet, sich anteilig an den Kosten zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses noch nicht fälliger Schönheitsreparaturen zu beteiligen (Quotenabgeltungsklausel), und zur Berechnung der Abgeltungsbeträge folgende Regelung vorsieht:

„Berechnungsgrundlage ist der Kostenvoranschlag eines vom Vermieter auszuwählenden Malerfachgeschäfts“

ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Dies hat der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einer Entscheidung vom 29.05.2013 – Az.: VIII ZR 285/12 – festgestellt.

Der BGH führt dazu begründend aus:

Der Zweck einer Quotenabgeltungsklausel besteht darin, dem Vermie-ter, der von dem ausziehenden Mieter mangels Fälligkeit der Schönheitsrepara-turen nach dem Fristenplan keine Endrenovierung verlangen kann, wenigstens einen prozentualen Anteil an Renovierungskosten für den Abnutzungszeitraum seit den letzten Schönheitsreparaturen während der Mietzeit zu sichern. Eine solche Klausel benachteiligt den Mieter grundsätzlich nicht unangemessen, weil die Abwälzung turnusmäßiger Schönheitsreparaturen – deren Kosten der Mieter zu tragen hätte, wenn das Mietverhältnis bis zum Eintritt der Fälligkeit der Schönheitsreparaturverpflichtung fortbestanden hätte – rechtlich und wirtschaftlich einen Teil der Gegenleistung des Mieters für die Gebrauchsüberlassung der Räume darstellt […].

Bei der inhaltlichen Gestaltung einer Quotenabgeltungsklausel ist jedoch auf die berechtigten Belange des Mieters angemessen Rücksicht zu nehmen. Diesen Anforderungen wird die von der Klägerin verwendete Klausel nicht in jeder Hinsicht gerecht.

Nach der Abgeltungsklausel der Klägerin ist Berechnungsgrundlage für die vom Beklagten zu zahlenden Beträge „ein Kostenvoranschlag eines vom Vermieter auszuwählenden Malerfachgeschäfts“. Diese Bestimmung ist mehrdeutig. Sie kann – wie dies der Senat in früheren Entscheidungen angenommen hat – zum einen dahingehend ausgelegt werden, dass sich der Mieter nur an notwendigen Renovierungskosten zu beteiligen hat und der Kostenvoranschlag dazu nur als (unverbindliche) Berechnungsgrundlage dient, deren Richtigkeit und Angemessenheit der Mieter bestreiten kann (Senatsbeschluss vom 6. Juli 1988 – VIII ARZ 1/88, aaO S. 82; Senatsurteil vom 6. Oktober 2004 – VIII ZR 215/03, WuM 2004, 663 unter II 1). Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, lässt die genannte Klausel zum anderen aber auch die Deutung zu, dass dem Kostenvoranschlag des vom Vermieter ausgewählten Malerfachgeschäfts bindende Wirkung für die Bemessung der Abgeltungsquoten zukommt, also dem Mieter die Möglichkeit abgeschnitten ist, Einwendungen gegen dessen Richtigkeit und Angemessenheit zu erheben oder gar auf eine Berechnung nach Maßgabe eines von ihm eingeholten günstigeren Kostenvoranschlags zu dringen.

[…]

Dass der Kostenanschlag nur dann verbindlich sein soll, wenn er der Billigkeit entspricht, ist der Abgeltungsklausel ebenfalls nicht (jedenfalls nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit) zu entnehmen.

Bei der Prüfung der Wirksamkeit der Abgeltungsklausel in § 4 Abs. 5 c des Mietvertrags ist diejenige Auslegung zugrunde zu legen, nach der dem Vermieter einzuholenden Kostenvoranschlag verbindliche Wirkung zukommt und es dem Mieter verwehrt ist, hiergegen Einwendungen zu erheben. Denn nach neuerer Rechtsprechung ist für die Inhaltskontrolle einer mehrdeutigen Allgemeinen Geschäftsbedingung […] von mehreren möglichen Deutungen die kundenfeindlichste Auslegung, also diejenige maßgebend, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt (BGH, Urteil vom 29. April 2008 – KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 19 mwN; Senatsurteil vom 23. September 2009 – VIII ZR 344/08, NJW 2009, 3716 Rn. 8).

[…]

§ 4 Abs. 5 c Satz 3 des Mietvertrags beschneidet in seiner kundenfeindlichsten Auslegung den Beklagten unangemessen in dessen Rechten. Denn der eingeholte Kostenvoranschlag ist bei dieser Auslegung auch dann für die Bemessung der vom Beklagten zu zahlenden Abgeltungsbeträge verbindlich, wenn der von der Klägerin ausgewählte Fachbetrieb einen unzutreffend hohen Renovierungsaufwand zugrunde gelegt oder überhöhte Preise angesetzt hat. Dies führt zur Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Praxishinweis:

Nach dieser neuerlichen BGH-Entscheidung, die jeder Mietrechtspraktiker kennen sollte, dürften zahlreiche Mietverträge keine wirksame Verpflichtung des Mieters zur Vornahme von Schönheitsreparaturen enthalten. Denn die Unwirksamkeit der obigen Klausel führt dazu, dass das gesamte Regelwerk des Mietvertrages zu Schönheitsreparaturen unwirksam ist und stattdessen das gesetzliche Leitbild gilt, wonach nicht der Mieter, sondern der Vermieter renovieren muss. Dies gilt übrigens dann auch schon während der Mietzeit: Ist die Wohnung renovierungsbedürftig, darf der Mieter den Vermieter auffordern, den Maler zu bestellen.

Schulenberg & Schenk gehen vor Gericht

Meinem Mandanten wird vorgeworfen, den Film „Dragonstorm – Die Drachenjäger“ unerlaubt im Internet weiterverbreitet zu haben und damit eine Urheberrechtsverletzung gem. § 19a UrhG begangen zu haben. Im Auftrag der MIG Film GmbH wurde mein Mandant daher von der Hamburger Kanzlei Schulenberg & Schenk abgemahnt und aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und eine „Pauschale“ für Schadensersatz und Anwaltskosten von 1.298 EUR zu zahlen.

In der Folge wurde eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben – ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht – und die Zahlung verweigert, denn mein Mandant konnte darlegen, dass er nicht Täter der ihm vorgeworfenen Rechtsverletzung ist und das der ermittelte Internetanschluss auch von seinem Sohn und seiner Ehefrau genutzt wird. Beide kommen als Täter in Betracht, wobei von dem Mandanten nicht verlangt werden kann, eigene Ermittlungen anzustellen oder gar das schuldige Familienmitglied „ans Messer“ zu liefern.

Sein Vortrag reicht aus, um die zunächst bestehende Vermutung seiner Täterschaft als Anschlussinhaber zu erschüttern, wie bereits das OLG Köln am 16.05.2012 – 6 U 238/11 – festgestellt hat:

Die Täterschaft des beklagten Anschlussinhabers ist als anspruchsbegründende Tatsache nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen vom Kläger darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Zu seinen Gunsten gelten dabei gewisse Beweiserleichterungen: Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist; daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912 [Rn. 12] – Sommer unseres Lebens; vgl. Senat, GRUR-RR 2010, 173 [174]; Urt. v. 23.03.2012 – 6 U 67/11). Eine Umkehr der Beweislast ist damit aber ebenso wenig verbunden wie eine über seine prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Gegner alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (vgl. BGH, NJW 2007, 155 [156] m.w.N.; Zöller / Greger, ZPO, 29. Aufl., vor § 284 Rn. 34; Prütting / Gehrlein / Laumen, ZPO, 4. Aufl., § 286 Rn. 73). Steht der Beweisführer – wie der Rechteinhaber in Bezug auf Vorgänge in der Sphäre des Anschlussinhabers – außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs, kann vom Prozessgegner (zur Vermeidung der Geständnisfiktion aus § 138 Abs. 3 ZPO) im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (vgl. BGH, NJW 2008, 982 [Rn. 16]; OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 31.08.2010 – 11 U 7/10 [Rn. 31 bei juris]). Diese sekundäre Darlegungslast geht aber in der Regel nicht so weit, dass der Anschlussinhaber durch eigene Nachforschungen aufklären müsste, wer Täter der Rechtsverletzung ist (vgl. OLG Hamm, MMR 2012, 40).

Erst recht obliegt dem Anschlussinhaber nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss. Die oben erwähnte – tatsächliche – Vermutung seiner Verantwortlichkeit beruht nämlich (mangels einer dem § 831 Abs. 1 S. 2 BGB oder § 18 Abs. 1 S. 2 StVG entsprechenden Regelung) nicht auf einer gesetzlichen Wertung, sondern wie der (nach herrschender Meinung nicht auf individuelle Willensentschlüsse anwendbare) Beweis des ersten Anscheins (vgl. Zöller / Greger, a.a.O., Rn. 29, 31; Prütting / Gehrlein / Laumen, a.a.O., Rn. 25 ff., 37 m.w.N.) auf der Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Diese Annahme wird erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs – nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses – ergibt. Dafür wird es regelmäßig genügen, wenn Hausgenossen des Anschluss¬inhabers – wie sein Ehegatte – selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können; mit dieser Begründung hat der Senat der Beklagten in erster Instanz bereits Prozesskosten¬hilfe für ihre Rechtsverteidigung bewilligt (Beschluss vom 24.03.2011 – 6 W 42/11 = MMR 2011, 396 m.w.N.).

Ebenso hat mittlerweile auch das LG München I am 25.03.2013 – 21 S 28809/11 – geurteilt. Dort hat die Kammer zutreffend ausgeführt:

In dieser prozessualen Situation oblag es nach dem oben Gesagten nicht der Beklagten, den Beweis für die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorgetragenen Tatsachen zu erbringen, sondern vielmehr hätte die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen Beweis für die anspruchsbegründende Verletzungshandlung anbieten und die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorgetragenen Tatsachen so widerlegen müssen, dass sich die täterschaftliche Verantwortung der Beklagten ergibt.

Die alles hat die MIG Film GmbH nicht davon abgehalten, ihren überhöhten und nicht gerechtfertigten Anspruch auf Zahlung von 1.298 EUR nun im gerichtlichen Mahnverfahren geltend zu machen. Wir haben Widerspruch eingelegt und sind nun gespannt, ob und wie die Gegenseite ihren Anspruch in Klageform begründen wird.

Wohnungsprostitution

Aus einer E-Mailanfrage, die an Kollegen gerichtet war und mich als BCC erreichte:

„Wir sind aus …, und wollen uns mit Wohnungsprostitution in Köln beschäftigen. Können Sie uns bei dieser Angelegenheit helfen und unter welchen Bedingungen?“

Vielleicht sollte sich der Absender damit doch besser an RTL2 wenden.

BGH: Kein generelles Verbot von Hunde- und Katzenhaltung

Eine Klausel in einem Formularmietvertrag, die dem Mieter pauschal untersagt, „Hunde und Katzen zu halten“, ist unwirksam, da sie den Mieter unangemessen benachteiligt. Dies hat der u.a. für das Wohnraummmietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nun entschieden (Urteil vom 20. März 2013 – VIII ZR 168/12). Dem Mieter würde durch diese Klausel ausnahmslos und ohne Rücksicht auf besondere Fallgestaltungen und Interessenlagen verboten, Hunde oder Katzen zu halten. Die Klausel verstoße außerdem auch gegen den wesentlichen Grundgedanken der Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters: Ob eine Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch im Sinne dieser Vorschrift gehöre, erfordere eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall.

Beraterhinweis:

Enthält ein Mietvertrag eine solch unwirksame Verbotsklausel, muss die im Einzelfall gebotene Interessenabwägung vorgenommen werden. Dabei sind nicht nur die Interessen von Mieter und Vermieter zu beachten, sondern auch die der anderen Hausbewohner und Nachbarn zu berücksichtigen.

Eine generelle Erlaubnis der Hunde- und Katzenhaltung für Mieter hat das Urteil des BGH also ausdrücklich nicht zur Folge!

Eigenbedarfskündigung nach nur drei Jahren: Kein Rechtsmissbrauch!

Einer Kündigung eines Mietvertrages wegen Eigenbedarfs steht nicht entgegen, dass das Mietverhältnis erst seit 3 Jahren besteht, wenn der Eigenbedarfsgrund erst nach Abschluss des Mietvertrages entstanden ist und vorher für den Vermieter nicht absehbar war.

Das hat der Bundesgerichtshof heute in einer mit Spannung erwarteten Entscheidung festgestellt (Urteil vom 20. März 2013 – VIII ZR 233/12).

Die auf Räumung verklagten Mieter lebten seit August 2008 in einem Einfamilienhaus. Im März 2011 kündigte die klagende Vermieterin das Mietverhältnis mit gesetzlicher Frist (3 Monate) mit der Begründung, sie benötige das Haus für ihren Enkel und dessen Familie.

Amtsgericht und Landgericht gaben der Vermieterin in erster und zweiter Instanz Recht. Die Kündigung sei nicht rechtsmissbräuchlich, auch wenn sie schon drei Jahre nach Beginn des Mietverhältnisses ausgesprochen wurde und bei Anmietung der Sohn der Vermieterin versichert habe, Eigenbedarf komme nicht in Betracht. Denn der Eigenbedarf aufgrund einer Änderung der beruflichen und familieären Verhältnisses des Enkels sei erst nach Abschluss des Mietvertrages entstanden und für die Vermieterin nicht absehbar gewesen.

Der Bundesgerichtshof sah dies auch so.

Eine Eigenbedarfskündigung sei nur dann wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam, wenn, wenn der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages beabsichtige oder zumindest erwäge, die Wohnung alsbald selbst zu nutzen oder sie einem Angehörigen seiner Familie oder seines Haushalts zu überlassen.

Diese Voraussetzungen lagen hier aber nicht vor. Für die Vermieterin war bei Vertragsschluss noch nicht absehbar, dass ihr Enkel seine Lebensplanung ändern würde und das vermietete Einfamilienhaus zusammen mit seiner zwischenzeitlich schwangeren Partnerin und späteren Ehefrau und dem gemeinsamen Kind würde bewohnen wollen.

Beraterhinweis:

Eine Eigenbedarfskündigung darf nicht aus Gründen ausgesprochen werden, die bei Vertragsschluss bereits vorlegen oder vorhersehbar waren. Die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit sind von der Rechtsprechung bislang unterschiedlich definiert worden. So wird für den künftigen Wohnbedarf eines heranwachsenden Kindes vom Vermieter eine Vorausschau von fünf Jahren verlangt (z.B. LG Hamburg, WuM 1003, 667), ebenso für den Pflegebedarf eines alten, gebrechlichen Menschens (LG Ravensburg, WuM 2003, 332). Daran wird auch auch die heutige Entscheidung des BGH nichts ändern. Sie bestätigt aber, dass die Vorhersehbarkeit jeweils von der individuellen Situation des Vermieters abhängt. Konnte er bei Vertragsschluss nicht absehen, dass sich die Lebensplanung eines Angehörigen nach Vertragsschluss ändert, darf er das Mietverhältnis auch bereits nach 3 Jahren schon wegen Eigenbedarfs kündigen, ohne sich Rechtsmissbrauch entgegenhalten lassen zu müssen.

AG Frankfurt/Main: Maklerangaben über Wohnfläche berechtigen nicht zur Minderung

Weicht die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10% von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche ab, darf der Mieter die Bruttomiete entsprechend mindern, ohne darlegen zu müssen, dass die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung nicht unerheblich eingeschränkt ist. Dies wird dann nach ständiger Rechtsprechung des BGH unterstellt.
Wie schaut es aber aus, wenn der Mietvertrag überhaupt keine Regelung zur Wohnfläche enthält und sich der Mieter bei Anmietung allein auf die Angaben des Maklers verlässt, die dieser auf einer Internetplattform gemacht hat?

Darüber musste im September 2012 das Amtsgericht Frankfurt/Main entscheiden.

Die Mieter minderten die Miete, nachdem sich die tatsächliche Wohnfläche als 62 qm herausgestellt hatte, während die Maklerin vor der Vermietung eine Fläche von 74 qm angegeben hatte. Die Vermieterin klagte die geminderten Mieten ein.
Das Amtsgericht gab der Vermieterin recht. Denn die Wohnflächenangabe der Maklerin sei der Vermieterin nicht zuzurechnen und auch nicht konkludent Vertragsinhalt geworden. Angaben zur Wohnfläche müssten im Mietvertrag ausdrücklich geregelt sein. Die Bewerbung der Wohnung durch einen Makler mit einer bestimmten Wohnfläche reiche nicht aus, wenn keine besonderen Umstände vorlägen, die auf einen Garantiewillen des Vermieters schließen ließen.

Beraterhinweis:

Die Entscheidung des AG Frankfurt/Main ist problematisch, denn in der Regel hat der Makler seine Flächenangaben vom Vermieter und nach dem Rechtsgedanken des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB dürfte die Wohnflächenangabe des Maklers eine Beschaffenheitsangabe darstellen, mit der Folge, dass sie als vertraglich vereinbart gilt.

Auch wenn es sich nur um eine Entscheidung eines Amtsgerichts handelt, die aus den dargestellten Erwägungen möglicherweise von anderen Gerichten nicht geteilt wird, sollten Mieter bei Vertragsschluss darauf achten, eine bestimmte Wohnfläche ausdrücklich zu vereinbaren. Die üblichen Formularmietverträge enthalten dazu vorformulierte Klauseln. Andernfalls laufen sie Gefahr, bei einer abweichenden Wohnfläche an ein Gericht zu geraten, dass die Auffassung des AG Frankfurt/Main vertritt und Minderungsrechte verneint.

AG Frankfurt/Main, Urteil vom 19.09.2012 – 33 C 3082/12